linksrhein Quelle: Treuchtlinger Kurier, 18.10.2012
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Lesung mit den Exil-Iranern Ali und Solale Schirasi:

Wut und Wehmut in poetische Verse verpackt

Auftaktabend der neuen Reihe „So fremd? So nah?“ in Treuchtlingen – Kultur und Religion sollen nicht trennen, sondern Brücken bauen


In ihren traditionellen Gewändern wirkten Ali und Solale Schirasi exotisch,
machten aber zugleich neugierig auf das Fremde, das oft „so nah“ ist. Foto: Shaw

TREUCHTLINGEN (psh) – „Ich habe immer noch viel Hoffnung“, sagt Ali Schirasi: Hoffnung auf mehr Freiheit und Menschenrechte in seinem Heimatland Iran; und Hoffnung auf ein besseres Miteinander der Kulturen und Religionen in Deutschland. Zum Auftakt der neuen Reihe „So fremd? So nah?“ der Initiative für interreligiöse und interkulturelle Begegnungen im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen (wir berichteten) lasen der in Konstanz im Exil lebende Schriftsteller und seine Frau Solale im evangelischen Gemeindehaus in Treuchtlingen aus ihren Werken.

Was ist „so fremd“, was „so nah“, fragten sich zu Beginn des Abends Doris Birnthaler von der katholischen und Bettina Feldhäuser von der evangelischen Kirchengemeinde. Es gebe hierzulande über den Islam und das Judentum „immer noch wenig Wissen und viele Vorurteile“, erklärte Feldhäuser. „Migranten und Deutsche wohnen Tür an Tür, kennen einander aber nicht“, ergänzte Birnthaler. „Kinder gehen in die gleiche Schule, aber feiern getrennt Geburtstag.“

„Ich hoffe, dass die Reihe gut angenommen wird“, betonte auch Hamit Bakir, ehemaliger Vorsitzender der türkisch-islamischen Gemeinde Weißenburg und Umgebung – „weil sie aus unserer Sicht nötig ist“. Mit Vorträgen, Begegnungen und Musik wollen Christen, Muslime und Juden in Treuchtlingen, Weißenburg und Nürnberg sich, ihre Religionen, Gotteshäuser und Kulturen besser kennenlernen, gemeinsam lernen und feiern. Das klappte beim Auftakt in Treuchtlingen schon ganz gut: Unter den (wegen vieler Parallelveranstaltungen nur knapp 40) Besuchern waren etwa ebenso viele Deutsche wie Türken sowie auffällig viele Weißenburger und andere auswärtige Gäste.

Das Fremde zelebrierte Ali Schirasi nach der Einführung zunächst mit einem orientalischen Flötenstück. Zusammen mit seiner Frau stieg er anschließend zweisprachig mit einem persischen Gedicht in die Lesung ein. „Kultur, Sprache, Tradition und Musik nehmen wir mit in die Fremde. Sie sind unsere Identität, aber auch ideale Möglichkeiten, in der neuen Heimat einander näherzukommen“, machte er den wehmütigen Zwiespalt eines Exilanten deutlich.

1940 in Teheran geboren, beteiligte sich Ali Schirasi bereits 1962 an den ersten Studentenstreiks im Iran. 1975 wurde er unter dem Schah zu zehn Jahren Haft verurteilt, 1978 aber auf Intervention des Internationalen Roten Kreuzes entlassen. Nach der islamischen Revolution wurde er erneut inhaftiert, bis er schließlich 1987 zusammen mit seiner Frau Solale nach Deutschland fliehen konnte. Die elf Jahre jüngere Mathematiklehrerin war wegen ihrer politischen Aktivitäten ebenfalls zwei Jahre im Gefängnis. Heute leben und arbeiten beide als Schriftsteller in Konstanz.

In ihren Gedichten kritisieren Ali und Solale Schirasi aber nicht nur offen, sondern beschreiben auch ihre einstige Heimat. Von „durstigen Gärten, Feldern und Bergen“ ist da die Rede; von der Sehnsucht der Iraner „nach Blumen und Grün“; oder vom einzigen Huhn der Familie, dem die Eltern einen alten Schuh ans Bein gebunden hatten, um es am Weglaufen zu hindern, das aber deshalb auch „das Hüpfen verlernt hatte“. Es sind poetische Bilder, in denen aber letztlich oft ebenfalls gesellschaftspolitische Botschaften verschlüsselt sind.

Nach iranischen Süßigkeiten und einem kleinen Bücherverkauf in der Pause erzählten die beiden Autoren abschließend noch ein Märchen aus eigener Feder. Mit der Geschichte von einem Mann, der sein Glück sucht, es aber nicht am Schopf packt, als es sich ihm bietet, machten sie deutlich, wie wichtig es sei, jede Chance zum Glücklichsein zu ergreifen.

Fortgesetzt wird die Reihe „So fern? So nah?“ am Samstag, 10. November, mit einem Podiumsgespräch zwischen Vertretern der drei beteiligten Religionsgemeinschaften in der Mehrzweckhalle der islamischen Gemeinde in Weißenburg. Tags darauf gibt der jüdische Marimbaspieler Alex Jacobowitz ein Konzert im Treuchtlinger Kulturzentrum Forsthaus. Zwei weitere Veranstaltungen folgen im Dezember sowie sechs im ersten Halbjahr 2013. Den Abschluss der Reihe bildet ein gemeinsames Gedenken zum Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai an der Treuchtlinger Juden-Gedenkstele.

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