linksrhein
  Startseite politische Texte zurück  weiter 

Chomeinis Erbe - die Mafia der Mollas

Chomeini - ein Gegner der "Weißen Revolution" des Schahs

Nach dem Putsch des Schahs gegen die Regierung von Dr. Mossadeq im Jahre 1953 war die iranische Gesellschaft dem ungezügelten Zorn des Schahs, der Militärs und der reichen Oberschicht ausgeliefert. Die Folter- und Hinrichtungsmaschinerie gegen alle, die etwas zu ändern suchten, lief auf vollen Touren. Die Intellektuellen, die diesem Schicksal entgingen, mussten aus dem Iran fliehen oder in den Untergrund gehen. Der Putsch zwang Studenten und Lehrer, Angestellte, Arbeiter und Bauern, sich vorübergehend zurückzuziehen und den Mund zu halten.

Aber in dem Jahrzehnt nach dem Putsch schickten sich Untergrundbewegungen, besonders die der Linken, an, die Unzufriedenheit unter Bauern, Nomadenstämmen und Arbeitern als revolutionäre Energie zu bündeln. Die eine Gruppe nach Maos Vorbild, die andere nach Lenin, eine dritte nach Che Guevara oder anderen lateinamerikanischen Modellen.

In jenen Jahren, als der Iran auf eine soziale Explosion zusteuerte, zwang der damalige US-Präsident Kennedy den persischen Schah zu gesellschaftlichen Reformen.

Diese soziale Reform wurde Weiße Revolution genannt.

Zwar sollte die Weiße Revolution die gewaltige Unzufriedenheit der Bauern dämpfen, aber sie konnte die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Probleme des Irans nicht an der Wurzel packen. Dennoch brachte sie zwangsläufig Vorteile für die Bauern, Arbeiter und speziell auch für die Frauen mit sich. Einer ihrer positiven Aspekte war der Verkauf von Land an die Bauern durch die Großgrundbesitzer gegen Ratenzahlungen.

Da die religiösen Schulen, die großen und kleinen Moscheen, die Heiligtümer und die höheren islamischen Lehrstätten, sowie die großen und berühmten geistlichen Autoritäten zugleich auch Großgrundbesitzer waren und zahlreiche Dörfer und Ländereien in der Form von Stiftungsbesitz kontrollierten, stieß die Reform nicht auf ihr Wohlgefallen. Sie sammelten sich unter der wallenden Robe Chomeinis, der als Führer der religiösen Gegner der Weißen Revolution mit finanzieller Unterstützung der Basarhändler das einfache, religiös empfindende Volk sowie kriminelle Elemente organisierte und vorschickte. So wurden die zentralen Straßen und Plätze zum Schauplatz der Kämpfe zwischen den militärischen Kräften des Schahs und Chomeinis. Aber Chomeini musste eine Niederlage einstecken und wurde schließlich in die Türkei und dann in den Irak verbannt. Von nun an präsentierte Chomeini den Schah und Amerika in seinen Schriften und Reden als Werkzeug des Bösen, die für das Leiden des iranischen Volkes verantwortlich seien, und vermittelte den Eindruck, dass Unabhängigkeit gleichbedeutend sei mit der Befreiung von der unterwürfigen Stellung gegenüber den USA und Herstellung von Gerechtigkeit identisch mit dem Sturz der Diktatur des Schahs. Das iranische Volk, das durch die Interventionen Amerikas in die inneren Angelegenheiten des Iran und durch die Tyrannei des Schahs in Bedrängnis geraten war, vergaß mit der Zeit, was für eine rückständige Position Chomeini während der Weißen Revolution des Schahs eingenommen hatte. Die Intellektuellen wie auch das einfache Volk versäumten es, Chomeinis Buch "Die islamische Regierung" zu lesen. So entging ihnen, dass Chomeini in diesem Buch ein bestimmtes Modell eines islamischen Staates entworfen hatte und nun die Verwirklichung dieses Modells anstrebte.

Die Gleichgültigkeit, Vergesslichkeit und Nachlässigkeit im Umgang mit Chomeinis Ansichten und Taten führten dazu, dass die Iraner diesen großen Gaukler des Jahrhunderts für einen Wegbereiter der Unabhängigkeit und der Gerechtigkeit hielten.

Beeindruckt von seinen antiimperialistischen, gegen die Diktatur gerichteten Parolen setzte bei vielen der Verstand aus. Auf dem Scheiterhaufen ihrer Gefühle entfachte dieser Zauberer ein großes Feuer, und er schien zu wissen, welches Sprüchlein er aufsagen musste, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.

Paradiesische Versprechungen aus Paris

"Das iranische Volk ist ein ehrbares, arbeitsames Volk. Das Erdöl gehört ihm. Warum sollen dann der Schah und Amerika diesen Reichtum plündern? Warum soll das iranische Volk arm bleiben, wo es riesige Erdölreserven besitzt? Warum sperrt der Schah die Menschen ein und foltert sie? Warum ermordet er sie? Das iranische Volk will doch nichts anderes als seine Freiheit. Warum sind die Parteien im Iran nicht frei? Das iranische Volk hat das Recht, in freien Wahlen zu entscheiden, es hat das Recht, ein freies Parlament zu bestellen, es hat das Recht, über sich selbst zu herrschen."

Sätze wie diese kamen tagtäglich über Chomeinis Lippen, solange er in Paris war. Zeitungen, Radio und Fernsehen aus aller Welt kolportierten diese Äußerungen und hoben die eine oder andere besonders hervor, so dass es die Menschen in aller Welt, besonders aber die im Iran, zu hören bekamen.

Im Iran selbst verfügten Chomeinis Anhänger über ein Netz von 14.000 Moscheen, um Chomeinis Reden für das Volk auf den Gassen und auf den Basaren in den schönsten Farben auszumalen. Seine Versprechungen klangen lieblich in den Ohren von Lehrern und Arbeitern, die täglich zwei Schichten arbeiten mussten, um ihren Unterhalt zu bestreiten. Sie klangen verlockend in den Ohren jener Arbeitnehmer, die im Rahmen der Schah-Reformen nominell selbst Anteilseigner an den Fabriken geworden waren, de facto aber leer ausgingen und in Armut und Obdachlosigkeit abzugleiten drohten. Chomeinis Anhänger verbreiteten im ganzen Iran das Gerücht, wenn der Schah stürze und der Imam in den Iran zurückkehre, würden die Erdöldollars unter der Bevölkerung verteilt und jeder Iraner bekäme 70 Dollars täglich. Das Geld würde einem täglich an die Haustür gebracht und in die Hand ausgezahlt.

Chomeini hatte auch versprochen, sobald der Schah gestürzt und er in den Iran zurückgekehrt sei, würde er nach Qom gehen und dort Theologie unterrichten. Das Volk solle seine Regierung selbst bilden und das Land verwalten.

Eine islamische Regierung - kein Wörtchen mehr, und keins weniger!

Der Streik der Erdölarbeiter, die Millionen von Menschen, die im ganzen Land auf die Straße gingen, die unerfüllten Sehnsüchte eines ganzen Volkes trieben den Schah schließlich in die Flucht. Die Armee des Schahs war nach den Massakern, die sie in diesem Schachspiel mit dem Volk angerichtet hatte, Schachmatt gesetzt und ebnete den Weg für die Rückkehr Chomeinis in den Iran.

Kaum betrat Chomeini iranischen Boden, begab er sich direkt vom Flughafen zum größten Friedhof Teherans - Beheschte Sahraa - und brach dort gleich eines der wichtigsten Versprechen, die er gegeben hatte. In seiner berühmt gewordenen Rede, die er dort hielt, sagte er: "Diese Regierung (die von Bachtiyar gebildet wurde) kriegt von mir eins aufs Maul - ich werde meine eigene Regierung einsetzen." Chomeini, der versprochen hatte, sich nach der Rückkehr der theologischen Lehrtätigkeit zu widmen, blieb statt dessen in Teheran und legte dort die Fundamente seiner islamischen Regierung, obwohl es doch erst geheißen hatte, dass das Volk selbst die Art der Regierung bestimmen sollte und obwohl die verschiedenen Klassen und Schichten, Parteien und Intellektuellen ihre Vorschläge unterbreitet hatten. Selbst viele von Chomeinis Anhängern waren für eine demokratische islamische Regierung. Aber Chomeini, der in Paris davon gesprochen hatte, dass das Volk seine Regierung selbst bestimmen dürfe, wurde erneut wortbrüchig und gab bekannt: "Es wird eine islamische Regierung - kein Wörtchen mehr, und keins weniger!"

Der iranisch-irakische Krieg

Wer nun diesen Krieg begonnen hat und warum, bedarf präziser Informationen aus den Hinterzimmern der Macht. Aber eins ist sonnenklar: Der Krieg bot Chomeini die günstige Gelegenheit, seine Herrschaft aus der Krise zu retten. Er war ein guter Vorwand, die religiösen und politischen Gegner zu beseitigen oder zum Schweigen zu bringen. Politische Organisationen und Parteien wurden verboten, Zeitungen streng zensiert oder ihnen die Drucklizenz entzogen. Moscheen, Schulen und Sportklubs wurden in Gefängnisse verwandelt. Der Iran, der unter Chomeini aufblühen sollte, wurde in ein Trümmerfeld verwandelt. Das einzige, was in allen Städten und Dörfern wuchs und gedieh, waren die Friedhöfe. Chomeini, der den Irak erobern und auch dort sein islamisches Modell einführen wollte, erlitt eine Niederlage und musste sich der Resolution 598 der Vereinten Nationen beugen, so dass der Krieg nach acht Jahren der Zerstörung und Massakrierung sein Ende fand.

Der Krieg war zwar beendet, aber es fehlte der politischen Freiraum, um den Wunsch eines jeden, ein Dach über dem Kopf, etwas zum Essen und zum Anziehen zu haben und einen Arbeitsplatz zu finden, zu verwirklichen. Statt auf diese Wünsche einzugehen, fuhr Chomeinis Regierung damit fort, ihr islamisches Modell zu vervollständigen. Um die Atmosphäre der Angst und des Terrors aufrecht zu erhalten und die politischen Gefangenen loszuwerden, wurden binnen weniger Monate Abertausende von Gefangenen ermordet, und zwar aufgrund einer Todes-Fatwa von Imam Chomeini persönlich.

Das Ende des Kriegs läutete aber zugleich auch den Beginn einer inneren Krise unter den Anhängern Chomeinis ein. Diejenigen, die in den Kriegsjahren Milliardenvermögen angehäuft hatten, strebten danach, ihr Vermögen auf andere Weise zu vermehren. Ihnen stand das Heer der Kriegsheimkehrer, der 'Märtyrer'-Familien, die ihre Angehörigen im Krieg verloren hatten, der Bassidschis (zerlumpter Freiwilligenmilizen, deren Mitglieder in die Millionen gingen), der Pasdaran - das heißt der Revolutionswächter - gegenüber, die sich selbst als rechtmäßige Erben der islamischen Regierung betrachteten und von den Mächtigen und Reichen ihren Anteil einforderten.

Mit dem Tod Chomeinis wurde ein schwelender Konflikt zwischen mafia-artig strukturierten religiösen, wirtschaftlichen und politischen Gruppen innerhalb der Regierung sichtbar.

Chomeinis Modell einer islamischen Regierung heute

Die in Teheran erscheinende Zeitung Keyhan steht dem jetzigen religiösen Führer Chamenei nahe. Ihr Chefredakteur, Hossein Schariatmadari, ist einer der bekanntesten Hisbollahis und Anhänger von Chomeini und Chamenei. Dieser Mann war im Ewin-Gefängnis (Teheran) Verhörbeamter und Folterer, und noch heute bildet er neben seiner Tätigkeit als Chefredakteur die Verhörbeamten und Folterer der islamischen Republik aus. Er hat hervorragende Kontakte zu Leuten mit Schlüsselpositionen im Geheimdienst und bei den Revolutionswächtern. Er steht unter dem Schutz der rückständigsten religiösen Zirkel und ihrer Oberhäupter. Er verkörpert den mafiosen Charakter der Macht und spielt eine gewichtige Rolle, wenn es darum geht, prügelnde Fanatiker der Gottespartei zu organisieren und auf demonstrierende Studenten und auf die protestierende Bevölkerung loszulassen. Und nun sehen wir uns an, was dieser Herr Schariatmadari, der über jeden Verdacht der böswilligen Verunglimpfung des Regimes erhaben ist, über einige Institutionen der Islamischen Republik schreibt:

"Im Farwardin 1377 (März/April 1998) berichtete der Präsident des Obersten Rechnungshofs des Landes, dass in den letzten drei Monaten des Jahres 1376 (Dezember 19997 bis Februar 1998) 1700 verschiedene Fälle von Verstößen gegen die Finanzvorschriften durch Organe der Exekutive vom Gericht des Rechnungshofs bearbeitet worden seien. Nach seinen Angaben seien in diesen Fällen nach der Überprüfung auch schon die erforderlichen Entscheide ergangen. Trotzdem wissen wir bis heute von keinem einzigen Fall derer, die vermutlich von diesem Spruchkörper wegen Verletzung der Haushaltsvorschriften bzw. Missbrauch von Budgetmitteln verurteilt wurden. Warum?

Im Bericht des Obersten Rechnungshofs des Jahres 1367 (1998) steht, dass in den drei vorangegangenen Jahren in den Exekutivorganen Finanzdelikte in Höhe von insgesamt fast sechshundert Milliarden Tuman (ca. 1,7 Mia. DM) und Devisendelikte in Höhe von Millionen Dollar aufgedeckt wurden. Warum darf die Bevölkerung nicht wissen, in wessen Verantwortungsbereich, in welchem Ministerium und welcher Regierungsinstitution diese Delikte stattfanden, wo schon ein einziger Fall eines Währungsdelikts den Betrag von 168.000 DM erreichte? In welchem Bericht wurde der Bevölkerung mitgeteilt, wer konkret hinter so einem Delikt oder Missbrauch steht? Im detaillierten Haushaltsbericht für das Jahr 1374 (1995) war zu lesen, dass von den 385 großen staatlichen Unternehmen und den elf Banken des Landes nur 147 Firmen und eine Bank ihren Rechenschaftsbericht rechtzeitig beim Rechnungshof vorgelegt hätten. Resultat der Gleichgültigkeit in der Aufsicht und Rechnungsprüfung dieser heiklen Organisationen durch die oberen Behörden war, dass diverse, Missbrauch treibende Elemente in aller Seelenruhe und ohne Angst vor ernsthaften Überprüfungen jahrelang in einem Teil des Exekutivapparats und den Banken Volkseigentum verschieben und manipulieren konnten...

Bestimmt sind die meisten derer, die vom Rechnungshof verurteilt wurden, weiterhin in ihren hohen Ämtern oder zumindest auf einem neuen Posten untergekommen, ohne jemals den bitteren Geschmack der Strafe für ihre Gestzesverstöße zu erfahren. Und weil dem so ist, sind Gesetzesübertretungen, Amtsmissbrauch und Umgehung der Gesetze für eine bestimmte Gruppe üblich geworden und haben der Exekutive die Handlungsfähigkeit [ergänze: zur Vollstreckung der Urteile] genommen."

Diese Fakten wurden von Keyhan, einer der einflussreichsten Zeitungen in der Islamischen Republik Iran, veröffentlicht. Als Beispiel für das Ausmaß der Korruption sei ein Fall einer Veruntreuung bei der Export-Bank angeführt: Bei dieser Bank war in Teheran ein Betrag von 123 Milliarden Tuman (ca. 340 Mio. DM) veruntreut worden. In diesem Zusammenhang wurden einige verhaftet, darunter ein gewisser Herr Rafiqdust. Vom Gericht wurde ein anderer, nicht die Hauptfigur in dieser Affäre, vielleicht sogar einer, der darin gar keine Rolle spielte, zum Tode verurteilt. Rafiqdust dagegen, die zentrale Figur in diesem Skandal, erhielt lebenslänglich und wurde im Ewin-Gefängnis inhaftiert. Nach kurzer Zeit wurde Rafiqdust Verantwortlicher für den Einkauf der Haftanstalt und durfte das Gefängnis täglich zur Wahrnehmung dieser Aufgabe verlassen. Wenig später weiteten sich seine Aufgaben derart aus, dass er kaum noch im Gefängnis zu sehen war und zur Deckung des Anstaltsbedarfs gar ins Ausland reiste. Es geht das Gerücht, dass Chamenei, der Führer der Islamischen Republik, ihn begnadigt habe. Man sollte vielleicht noch wissen, dass sein Bruder, Mohsen Rafiqdust, eine der wichtigsten Figuren im Wirtschaftssektor ist und im Zentrum der islamischen Mafia steht.

Um ausführlichere Informationen über die materielle und die moralisch-politische Korruption innerhalb des Staatsapparats zu erhalten, können wir auch ein Interview heranziehen, das Herr Nassiri, der Chefredakteur von "Sobh" (Der Morgen), der Nachrichtenagentur der iranischen Studenten gewährt hat. Herr Nassiri ist Chamenei-Anhänger und ein bekannter Hisbollahi. Im Verlauf des Interviews geht er auch auf die Korruption in der Islamischen Republik ein: "Die Annahme von Bestechungsgeldern und Prozenten in geschäftlichen Transaktionen, bei der Vergabe von Aufträgen an Vertragsunternehmer und Einkäufen im In- und Ausland, Vetternwirtschaft, die Begünstigung von Freunden, Anhängern der eigenen Richtung und Familienangehörigen beim Abschluss von Verträgen und die Verschleuderung riesiger Beträge zur Abhaltung von Bildungsseminaren, illegale Schenkungen an natürliche und juristische Personen sowie Bestechlichkeit bei der Einsetzung, Ernennung und der Übertragung von Ämtern, zählen zu den wichtigsten Formen...

Auch die Korruption in der Öffentlichkeitsarbeit, wozu wahrheitswidrige Darstellungen, das Vorlegen falscher oder gefälschter Statistiken, großspurige Erklärungen, die trügerische Hoffnungen wecken, die vorzeitige Einweihung [von Bauprojekten], dies alles trägt zur Entstehung eines übertriebenen Erwartungshorizonts in der Gesellschaft bei. So wurde ein Staudamm anscheinend aus Gründen der Propaganda und Selbstdarstellung vorzeitig eingeweiht. Neben der Gefahr eines Staudammbruchs hat dies auch zusätzliche Kosten von fast einer Milliarde Tuman (ca. 2.8 Millionen DM) für das Land verursacht."

Nassiri geißelt besonders die Prunksucht der Amtsträger der Islamischen Republik und fügt hinzu: "Heutzutage ist es eine übliche Erscheinung geworden, dass eine ganze Reihe von Amtsträgern der Islamischen Republik ihren Wohnsitz auf Grundstücken und in Häusern beziehen, die mehrere Hundert Millionen, ein Milliarde Tuman oder mehr kosten (also ab 600.000 D-Mark aufwärts). Ob rechts oder links, ob konservativ oder reformerisch, sie alle sind in diesen Sumpf verstrickt."

Nach Auffassung des Chefredakteurs von Sobh ist die Verschuldung einiger führender Persönlichkeiten und Abgeordneter des Parlaments bei kapitalkräftigen Unternehmern und Privatfirmen, die der Deckung der Wahlkampfkosten diente, ein weiterer Aspekt von Korruption. So hatten bei den letzten Präsidentschaftswahlen beide Kandidaten - Chatami wie Nateq-Nuri - Milliarden von Tuman (Millionen von Mark) an Wahlkampfkosten. Der Chefredakteur von Sobh wirft die Frage auf, wie sie diese Mittel beschaffen konnten und fährt fort: "Es ist unrealistisch zu glauben, dass man in dieser Sache eine klare, transparente Antwort von diesen Herren erhalten wird." Herr Nassiri zählt in seinem Interview noch zahlreiche weitere Fälle von Korruption auf, deren Auflistung den Rahmen dieses Artikels sprengen würde.

Was die Wahlkampfkosten von Herrn Chatami betrifft, sei ein Vergleich mit dem Spendengeldskandal des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Helmut Kohl erlaubt. Dieser musste den deutschen Behörden Rede und Antwort stehen und den Schaden auch mit dem eigenen Vermögen wiedergutmachen. Chatami, dem jetzigen iranischen Präsidenten, fiele es gar nicht ein, auf solche Fragen zu antworten, und bis zum heutigen Tag gab es in der Islamischen Republik Iran keinen Menschen und keine gesetzliche Institution, die von ihm Rechenschaft verlangt hätte.

Die materielle, geistige und kulturelle Korruption hat solche Ausmaße angenommen, dass viele führende Persönlichkeiten und Minister der Islamischen Republik Hochschuldozenten an ihren Arbeitsplatz kommen lassen und bei ihnen ‚Privatunterricht' nehmen, worauf dann die Herren Minister ohne Aufnahmeprüfung an einer Hochschule und ohne Teilnahme am Unterricht ihren Diplomabschluss oder ihren Doktor machen. Die betreffenden Prüfungen legen sie gleichfalls bei ihrem Dozenten in ihrem Arbeitszimmer ab, nachdem dieser sie zuvor mit den Fragen (und Antworten) versorgt hat.

Ihren Diplom- und Doktortitel haben auf diese Weise erworben haben unter anderem der Arbeitsminister Kamali, der ehemalige Oberbefehlshaber der Revolutionswächter und heutige Sekretär der 'Versammlung zur Beurteilung der Interessen des Systems' Mohsen Resa'i, der derzeitige Oberbefehlshaber der Revolutionswächter Rahim Safawi, der Konteradmiral Schamchani, vorher Oberbefehlshaber der Seestreitkräfte und derzeit iranischer Verteidigungsminister.

(Angaben laut der in London erscheinenden iranischen Exilzeitung Keyhan).

Das Spiel hinter den Kulissen nimmt Gestalt an

Chomeini hatte zum Aufbau seines Modells einer islamischen Regierung den iranisch-irakischen Krieg acht Jahre in die Länge gezogen. Zehntausende von Kindern schickte er direkt auf den Kriegsschauplatz in die Minenfelder. Über eine Million Iraner wurden im Krieg verletzt oder verloren ihr Leben. Tausende von politischen Gegnern wurden in Gerichtsverfahren, die nur ein paar Minuten dauerten, zum Tode verurteilt und in Massengräbern verscharrt. Die mafiösen Machtstrukturen setzten nach Chomeinis Tod einen anderen Geistlichen namens Chamenei als ihren ‚Paten' ein. Der bislang heimliche Kampf um Schlüsselstellungen, um lukrative Posten in der staatlichen Wirtschaft und den Stiftungsimperien verwandelte sich in einen offenen Krieg. Chomeinis Sohn Ahmad Chomeini, der selbst zu den Schwergewichten der islamischen Mafia zählte und Aspirationen hatte, Nachfolger seines Vaters zu werden, war eines der ersten Opfer in diesem Krieg.

Der heimliche Wirtschaftskrieg führte auf der politischen Ebene zu einer sichtbaren Spaltung der Anhänger Chomeinis in zwei Flügel. Die einen nannten sich Reformisten, die anderen Fundamentalisten. Und jeder von ihnen interpretierte zur Irreführung der Bevölkerung und zur Plünderung der wirtschaftlichen Ressourcen die islamische Herrschaft, die Gesetze der Scharia und die Rechte der muslimischen Gemeinde auf seine Weise. Killerkommandos aus dem Geheimdienst und dem Korps der Revolutionswächter führten nach einer entsprechenden Fatwa von Geistlichen Mordanschläge gegen Schriftsteller, Journalisten und andere wehrlose Menschen aus. Der scheinbar reformistisch eingestellte Flügel ging nach und nach daran, den Vorhang über diesen Vorfällen zu lüften, um sich damit selbst einen größeren Einfluss im Machtapparat zu sichern, und vergoß so manche Krokodilsträne.

Aufgrund des Drucks der öffentlichen Meinung und der sich ausweitenden Studentendemonstrationen sahen sich die Fundamentalisten gezwungen, einen der höchsten Beamten aus dem Geheimdienst, der die Serienmorde an Schriftstellern organisiert und tiefen Einblick in die korrupten Verhältnisse unter den Mächtigen hatte und dessen Name der Bevölkerung allmählich ruchbar geworden war, zu verhaften. Nach kurzer Zeit brachten sie ihn dazu, in der Zelle Selbstmord zu verüben.

Um das Volk einzuschüchtern und den Reformisten einen Schuss vor den Bug zu geben, ließ die islamische Mafia Said Hadscharijan ermorden und den Journalisten Akbar Gandschi ins Gefängnis werfen. Die beiden, die heute als Reformanhänger figurieren, hatten zu Chomeinis Lebzeiten großen Einfluss. Sie hatten begonnen, ihre umfangreichen Kenntnisse über das Geschehen hinter den Kulissen der Islamischen Republik zu veröffentlichen.

Die mafiösen Strukturen waren sich nicht zu fein, auch Frauen einzuspannen, um Chomeinis Erbe - die islamische Regierung - zu bewahren. Von Stewardessen bis zu weiblichen Angestellten der Saunas im Norden Teherans (angesichts der scharfen Trennung der Geschlechter in der islamischen Republik gibt die Mitwirkung von Frauen in diesen Saunas zu denken) wurden Frauen vom Geheimdienst für seine Zwecke eingesetzt. Ihre Leichen fand man später da und dort nachts am Straßenrand.

Soweit ist es gekommen, dass Ayatollah Montaseri, selbst einer der Gründer der islamischen Herrschaft, der sich den Zorn der Regierung zugezogen hat, nun seine Memoiren im Internet veröffentlicht und so den Morast aufgedeckt hat, in dem die islamische Führung versinkt.

Das "Büro zur Festigung der Einheit der Studenten", eine islamische Studentenorganisation, die annähernd 100.000 Mitglieder besitzt, hat nach einem Treffen mit Chamenei ihre Verzweiflung über die islamische Regierung geäußert und schreibt in einer Erklärung: "Die Mafia der Macht schert sich nicht um die Religion und nicht ums Volk."

Zusammenfassend lässt sich feststellen: Innerhalb der islamischen Regierung existieren verschiedene Flügel. Auf den ersten Blick scheint der eine sich zum Volk, zur Freiheit, zum Dialog der Kulturen und zur Zivilgesellschaft zu bekennen, der andere zur Religion und zur Moral. Aber in Wirklichkeit sind sie beide mafiöse Gruppen, die ihren früher verborgenen Kampf um die Verteilung von Geld und Macht nunmehr in der Öffentlichkeit austragen.

Ali Schirasi
15. Januar 2001
  Startseite zurück  weiter 

sw, 25.01.01