Quelle: Südkurier März 2001 | ||
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Als Ali Schirasi 1987 nach einer langen Flucht auf dem Frankfurter Flughafen ankam, war er ein gebrochener Mensch: Er konnte nicht mehr richtig gehen, war von seelischen und körperlichen Qualen gezeichnet, "Eigentlich wollte ich doch nur ein Tröpfchen Freiheit", erklärt Ali Schirasi. Im Iran brachte ihm dieses Ideal allerdings insgesamt sieben Jahre Gefängnis ein. Vor den Schülern der Oberstufe des Pfullendorfer Staufer-Gymnasiums berichtete der im Exil lebende Schriftsteller über sein Leben im Iran und die grausamen Methoden der islamischen Fundamentalisten.
Seinen Einsatz für mehr Freiheit im Iran und seine Erfahrungen mit dem Regime des islamischen Gottesstaates fasst der Schriftsteller heute in Erzählungen und Gedichten zusammen. Denn "schweigen kann ich nicht", erklärt Ali Schirasi. Ein Satz, den er im Laufe seines Vertrages immer wieder wiederholt und der sich wie ein Motto durch sein Leben zieht. Vor allem dieses Motto will Schirasi bei seinen Vorträgen an Schulen deutlich machen, das war bei seinem Besuch in Pfullendorf zu spüren. Bei den Pfulldorfer Gymnasiasten ist er damit offensichtlich angekommen: Erst ein langer Beifall am Ende durchbrach die gebannte Stille während seines Vertrags.
Wenn Ali Schirasi von Folter, Unterdrückung und Ungleichheit im Iran berichtet, dann weiß er, wovon er spricht. Bereits im Alter von fünf Jahren bekommt er die Peitschenhiebe des Chefs seines Heimatdorfes zu spüren. Der Enge des Dorfes entflieht er in Richtung Hauptstadt Teheran: Vormittags arbeitet er als Grundschullehrer, nachmittags studiert er Mathematik.
In Teheran lernt er bald die extreme Ungleichheit zwischen Reichen und Armen kennen. Während die einen ohne Schuhe in die staatliche Schule kommen, haben die anderen ein eigenes Auto, mit dem sie täglich in die Privatschule fahren. "Für mich war das unglaublich", berichtet Ali Schirasi. "Ein erster Schritt, um gegen das Schah-Regime zu kämpfen."
Der Kampf gegen das Regime endet für ihn 1975 im Gefängnis - von einem Militärgericht wurde er nach seinen eigenen Angaben nach einer Konferenz mit Exil-Iranern in London zu zehn Jahren Haft verurteilt. 1978 kommt er zwar wieder frei, wird aber 1983 wieder aus politischen Gründen inhaftiert. Dieses Mal unter Khomenis Regime, das nach der Revolution 1979 die Macht übernommen hatte. Auch gegen das Staatsmodell von Khomeni hatte er im Untergrund Widerstand geleistet. 1981 hatte Khomeni mehr als 100 000 Lehrer, Studenten und Schüler inhaftiert und Tausende töten lassen: "Da konnte ich einfach nicht schweigen."
Um seine Haft im berüchtigten Ewin-Gefängnis beschreiben zu können, muss Schirasi von seinem Stuhl aufstehen. Bewegt schildert er die 625 Tage mit Folterungen, denen er standgehalten hat. Keine Namen von politischen Freunden hat er verraten, denn eine Überlegung hatte ihm Kraft gegeben: "Wenn ich ihnen die Informationen gegeben hätte, dann wäre ich vielleicht frei gekommen und hätte körperlich unversehrt leben können, dafür wären viele andere inhaftiert und gefoltert worden", schildert er seine damaligen Gedanken. Ich habe mich für das seelische Leben entschieden."
Seine Hoffnung, dass sich die Situation im Iran ändert, hat er nicht aufgegeben - immerhin seien rund 24 Millionen junge Menschen im Iran unzufrieden. Dieses Hoffen spiegelte sich auch in seinen Gedichten wieder, die er den Schülern vortrug. "Sie haben die Macht über die Welt - die mächtigen Menschen waren so wie sie in der Schule", machte Schirasi den Schülern, die nach dem Vortrag interessiert Fragen gestellt hatten, Mut.
Poetisch - und für alle verständlich fasste er seine Gedanken am Ende des Vertrags zusammen: "Den Sumpf sehen und ohne ein Wort am Rand vorbeigehen - diese Tradition kann ich nicht fassen. Mit einem Stein die abgestorbene Faulheit aufwirbeln - diese Tradition übernehme ich gerne."
Bildunterschrift:
Der Exil-Iraner All Schirasi schilderte den Schülern der Oberstufe des Pfullen- dorfer Staufer-Gymnasiums sein Schicksal. Im Rahmen einer Veranstaltung der evangelisch-katholischen Erwachsenenbildung Pfullendorf liest er am Freitag, 9. März, um 20 Uhr im Bonhoeferhaus Gedichte und Kurzgeschichten unter dem Titel "Die Feder ist meine Waffe". Seine Tochter Marjam zeigt dabei Folkloretänze, die bis heute im Iran verboten sind.
Jörg HeinzleStartseite |
sw, 23.4.01