Quelle: Schwäbische Zeitung, 12.3.2001 | ||
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"Unsere Kunst und Musik, die schönen Kleider und bunten Farben, alles was das Leben schön macht, musste das Land verlassen", eröffnete Schirasi, der selbst vor 13 Jahren mit Hilfe politischer Freunde ins Exil flüchtete, den Abend.
Gleich sein erstes Gedicht "Tanz unter dem Apfelbaum" zeigt diese Entwicklung auf drastische Weise. Bei einer Hochzeit tauchen die Revolutionshüter auf, verhaften Braut und Bräutigam, Jung und Alt, Groß und Klein. Vorgeworfen wird der Hochzeitsgesellschaft, dass getanzt wurde, denn Tanzen und Musizieren ist nach dem strengen iranischen Religionsverständnis Gotteslästerung. Zur Strafe gibt es Peitschenhiebe. Selbst ein fünfjähriges Mädchen erhält elf Peitschenhiebe, weil es sich die Lippen rotangemalt hatte.
In einem weiteren Gedicht zeigt er die Verhältnisse in den iranischen Gefängnissen auf "Wenn doch die Stunden zu Minuten, die Minuten zu Sekunden würden". "Mein Wunsch" beschäftigt sich mit den Wünschen, die er im Laufe seines Lebens hatte. Mit fünf Jahren wünschte er sich Schuhe mit hellen Sohlen, mit 15 die Flucht aus der Ende des Dorfes, mit 35 die Befreiung aus der Haft des Schah-Regimes, mit 44 die Flucht aus Khomeinis Kerkern und jetzt mit 61 Jahren wünsche er sich eine Welt, in der das Wort Exekution ein Fremdwort ist. Seine schlimmen Erfahrungen mit der Koranschule schilderte Schirasi auf drastische Weise bei der Lesung aus seinem Buch "Farchunde, die Tochter des Landrats". Die Vorliebe eines sechsjähriger Buben für die einzige erreichbare Süßigkeit den Kandiszucker wurde mit schweren Schlägen auf die Fußsohlen bestraft. Mutig rächt sich der Junge und bewirft seinen Peiniger mit Steinen. Unterbrochen wurden die makabren Schilderungen von uralten orientalischen Tänzen, die die 21jährige Medizinstudentin Marjam in farbenfrohen traditionellen Kostümen vorführte. Die schönen Tanzdarbietungen vermochten jedoch nicht, über die Eindrücke des Gelesenen hinwegzutäuschen. Wie gelähmt saßen die Zuschauer in den Reihen und wagten vor Entsetzen kaum zu applaudieren.
Als Mathematiklehrer hat Schirasi in Teheran gelebt. Bereits während des Schah-Regimes verbrachte der Schriftsteller einige Zeit im Gefängnis. Unter Khomeini durfte er seinen Beruf nicht mehr ausüben und wurde verfolgt. Jetzt lebt er mit seiner Familie in Konstanz und publiziert in deutscher und persischer Sprache. Im Iran sind seine Texte verboten. Ihm und seiner Familie ist die Rückkehr in die Heimat verwehrt.
Anitha Schmitt
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sw, 23.4.01